Die erste und einfachste Lösung war die Sonnenuhr. Sie
konnte billig hergestellt werden und stellte keine besonderen Anforderungen. Später kamen
ähnlich einfache Werkzeuge der Zeitmessung wie Wasser- und Sanduhren oder Kerzen mit
Stundenmarkierung hinzu. Während diese zumeist aus Asien oder der arabischen Welt nach
Europa kamen, gilt die wesentlich präzisere mechanische Uhr als ureigene europäische
Erfindung. Voraussetzung war die Erfindung des "Foliot", einer Spindelhemmung
mit Waagbalken, die durch Gewichte getrieben wird. Fachleute und Historiker sind sich
heute im wesentlichen darüber einig, daß diese Erfindung Ende des 13. Jahrhunderts oder
Anfang des 14. Jahrhunderts nach Christus bekannt geworden ist. Grundlage hierfür waren
nämlich zwei Faktoren: zum einen verbesserte Metallverarbeitungsmethoden - und zum
anderen das Aufkommen der Städte, deren Bewohner ihre Zeiteinteilung nicht mehr
ausschließlich durch den von der jeweiligen Jahreszeit abhängigen Sonnenaufgang oder
Sonnenuntergang bestimmen lassen wollten.
Die erste europäische Präzisionsmaschine für Asien
war eine Uhr
Die ersten mechanischen Uhren wurden zumeist von Schmieden, Schlossern oder
Kanonengießern hergestellt, die über die notwendigen Erfahrungen mit der Verarbeitung
von Metallen verfügten. Zu finden waren sie überwiegend in den Niederlanden, Italien und
Frankreich. So ist es kein Wunder, daß es sich bei der ersten Präzisionsmaschine, die
von Europa nach Asien geliefert wurde, um eine Uhr gehandelt hat. Sie wird schon 1338 in
den Frachtpapieren eines Schiffes erwähnt, das von Venedig nach Delhi fuhr.
Luxusartikel von einem einzelnen für wenige
Damals und auch in den folgenden Jahrhunderten, bis weit in das zu Ende gehende hinein,
waren Uhren im wesentlichen das Produkt eines einzelnen. Zwar organisierten sich jene
Metallverarbeitungsexperten, die sich auf das Herstellen von Uhren spezialisierten, im 17.
Jahrhundert in Zünften, und es entstanden Zentren der Uhrenproduktion in Augsburg,
Nürnberg, den französischen Städten Blois und Lyon sowie später auch in Paris, London
und Genf. Ihre Erzeugnisse, zunächst öffentliche Zeitmesser wie im Kloster Cluny oder
die berühmte astronomische Uhr im Münster zu Straßburg, die im 15. Jahrhundert
erfundenen federgetriebenen und damit transportablen kleineren Standuhren oder gar die um
1660 datierten ersten Präzisionsuhren mit Pendel, waren nur für den Adel, das reiche
Bürgertum oder den Klerus erschwinglich. Das gleiche gilt für die teuren ersten
Taschenuhren, deren Erfindung (1554) dem Nürnberger Meister Peter Henlein zugeschrieben
wird. (Andere Historiker glauben allerdings, daß es bereits zu Beginn des 16.
Jahrhunderts Taschenuhren gegeben hat.) Entsprechend bestimmte das Nachfragepotential von
Königshof, Adel oder gut betuchten Bürgern den Standort der Herstellung.
Innungen erlaubten Innovationen und neue
Fertigungsmethoden
In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts jedoch bremsten politische Unruhen und
Religionskämpfe die Entwicklung des im Entstehen begriffenen Uhrmacherhandwerks. Hinzu
kamen die restriktiven Bestimmungen der Zünfte. Deren Gewerbeordnung und
Qualitätskontrollen waren zwar aufgestellt worden, um die Wettbewerbsfähigkeit zu
stärken, stellten sich aber bald auch als Hemmnis für Neuerungen heraus. Vielfach
durften Meister nicht mehr als zwei Gesellen beschäftigen, und der Einsatz neuer
Techniken war verpönt. Produktinnovationen wurden behindert, denn die Zunft forderte
Wohlverhalten und eine strikte Beachtung ihrer Regeln. Das galt auch für die Uhrmacher.
Mit dem Niedergang der Zünfte im 18. und 19. Jahrhundert lockerte sich dies. Die neue
Organisationsform der Innungen, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts aufkam,
sah zwar weiterhin strikte Qualitätsbestimmungen vor, tolerierte aber Produktinnovationen
und auch neue Fertigungsmethoden.
Dennoch waren Uhren bis weit in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts hinein ein teurer
Luxus: je perfekter und zuverlässiger der Mechanismus, desto kostspieliger.
Die berühmte "Konfirmandenuhr", die Heranwachsenden im 15. Lebensjahr oder
Schulabgängern zum Abitur geschenkt wurde, war mit der Auflage verbunden, sie zu hegen
und zu pflegen, denn sie hatte zumindest die Lebensspanne des/der Beschenkten zu
überdauern, um dann noch an dessen/deren Erben weitergegeben werden zu können.
Erst die Quarzuhr ging (in Japan) in Serie
Das änderte sich erst mit der Erfindung der Quarzuhr, die zum Paradebeispiel der
japanischen Nachkriegsstrategie wurde: ein anderswo entwickeltes Produkt in seine
Einzelteile zu zerlegen und zu studieren, dann ein ähnliches Erzeugnis in Großserien
herzustellen und zu Niedrigpreisen in den Markt zu drücken. Auch in der Schweiz wurden
zwar Quarzuhren hergestellt, aber jede Fabrik stellte sämtliche benötigten Teile - 150
bis 180 - selbst her bis hin zu Schrauben und Zahnrädern. Verkaufbar waren nur
Miniserien. Der Niedergang der schweizerischen Uhrenindustrie, die von all den
spätmittelalterlichen Uhrmacherzentren als einziger Zweig mit internationaler Bedeutung
übrig geblieben war, war programmiert.
Das Wunder Swatch
Anfang der achtziger Jahre behaupteten spitze Zungen in der Schweiz, die Gläubigerbanken
der verlustgeplagten Uhrenkonzerne ASUAG und SSIH, in denen zahlreiche renommierte Marken
aufgegangen waren, hätten den Unternehmensberater Nicolas Hayek lediglich als
"Totengräber" berufen, um deren Abwicklung möglichst geräuschlos zu
gestalten. Stattdessen hat der in Beirut geborene Sohn eines amerikanischen Zahnarztes ein
kleines Wunder vollbracht. Er half Ernst Thomke, bei der ASUAG-SSIH-Tochtergesellschaft
Eta zuständig für den Bereich Rohwerke, dessen Idee einer "Uhr für jedermann"
zu verwirklichen: später bekannt geworden unter der Marke "Swatch".
"Swatch" steht heute synonym für mehrere Dinge: Innovation, Simplizität,
Kooperation, Design, Marketing und Zeitgeist.
Durch Kooperation zur Uhr für jedermann
Thomke und Hayek sorgten dafür, daß innerhalb des ASUAG-SSIH-Konzerns, der bald SMH
hieß und seit 1998 unter "The Swatch AG" firmiert, alle Kräfte gebündelt
wurden, um das neue Konzept zu realisieren. Statt aus 90 bis 150 Teilen besteht eine
Swatch nur noch aus 54 Teilen, die aus verschiedenen Konzernbereichen geliefert werden.
Die vollautomatische Produktion und die niedrigen Produktionskosten (8 bis 10 DM) machen
es möglich, auch kleine Serien rentabel zu fertigen. Ein Mailänder Design-Studio sorgt
in Zusammenarbeit mit internationalen Künstlern dafür, daß zweimal im Jahr eine neue
Kollektion fröhlich-bunter Modelle auf den Markt kommt, die längst nicht mehr nur
Zeitmesser, sondern Ausdruck des Lebensgefühls, modisches Accessoire (Preis ab 65 DM)
oder auch begehrtes Sammlerobjekt sind (Preis nach oben offen).
Ingrid Hielle
Weiterführende Literatur:
Gezählte Zeit. Wie die mechanische Uhr das Leben veränderte.
Carlo M. Cipolla, Klaus Wagenbach Verlag, Berlin, 1997
Die Uhr - Geschichte Technik Stil,
Gerhard König, Koehler & Amelang Verlagsgesellschaft mbH, Berlin, 1991
Das Museum der Zeitmessung Beyer, Zürich, Verlag Georg D. W. Callway,
München, 1990
Mit freundlicher Genehmigung von
Herausgeber: Krupp VDM GmbH Internet:http://www.kruppvdm.de
veröffentlicht.
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