Vibrationen ...
die die Augen des Betrachters
reizen, mit diesem Begriff lässt sich das (ausgestellte) Werk von
Rafael Pérez am kürzesten umschreiben. Dabei greift er einerseits
auf die Formen- und Farbensprache der konkreten Künstler zurück
und bedient sich andrerseits gleichzeitig kinetischer Effekte. Diese werden
jedoch nicht mechanisch hervorgerufen, sondern - in Abwandlung der Bildertitel
von Hans Arp - "nach den Gesetzen der zufälligen Luftvibrationen"
erzielt. Aehnlich wie bei den Mobiles von Alexander Calder wirkt kein motorischer
Antrieb auf das Bildgeschehen ein, nur die vom Betrachter virtuell selbst
oder real von einem Luftzug ausgelöste Bewegung lässt einen Bestandteil
der Arbeit ins Schwingen geraten, die schliesslich das ganze Bild zum Vibrieren
bringt.
Auf den ersten Blick liegen
die Arbeiten im Bereich der konkreten Kunst. Wie diese weisen seine Werke
eine strenge Gesetzmässigkeit auf und zeichnen sich durch einen logischen
Bildaufbau
aus. Sie sind rationell ausgedacht und auf die einfachsten Grundformen
reduziert. Früher das Streifenband und später das Quadrat - in
letzter Zeit oft auf die Spitze gestellt - bilden die Träger des künstlerischen
Geschehens. Entsprechend ist die Raumaufteilung: Kleine Quadrate, die ihre
geometrische Proportion im grossen Bildquadrat finden, Rechtecke,
die zusammengesetzt wiederum ein Quadrat ergeben, sind Lösungen, die
an Richard Paul Lohses Formulierung von der "Gleichheit der Form" gemahnen.
Und schliesslich Diagonalen, die von einer Spitze des Quadrates aus nach
von mathematischen Gesetzen bestimmten Punkten zulaufen und in der anderen
Bildhälfte ihre Entsprechung finden. Noch einmal darf an R.P. Lohse
(links im Bild mit Rafael Pérez) erinnert werden, der postuliert:
"Anonymität der Mittel, Unlimitiertheit der Strukturgesetze, Relativität
der Dimensionen, Erweiterbarkeit, Flexibilität der Systeme bestimmen
den zukünftigen Ausdruck."
Wie vor ihm schon Verena Loewensberg,
setzt sich Pérez in der Anwendung der Farben bereits leicht
von den Konkreten ab. Er benutzt den chromatischen Farbkreis, doch wendet
er die Farben nicht systematisch, sondern gemäss seinem intuitiven
Farbempfinden und seinem Gefühl an. "Chromatische
Modulation", wie ein Teil seiner Arbeiten betitelt ist.
Hier nun
stellt sich für den Betrachter ein interessanter Aspekt ein: je länger
er die Arbeit sieht, umso mehr verschwindet das vor dem Hintergrund aufgehängte
Element, wird immateriell, dafür aber "lebt" und "atmet" die Leinwand
farbig. Die Farbe gerät in Bewegung, das Licht erzeugt Reflexe für
nur einen einzigen Moment, blitzt auf und ist schon wieder verschwunden.
Die Arbeiten sind poetisch, dem flüchtigen, sich immer erneuernden
Reiz verpflichtet. "Kunst ist Betrachtung der Welt im Zustand der Gnade",
heisst ein für Rafael Pérez emotionell wichtiger Satz von Hermann
Hesse.
Rafael
Pérez ist Venezolaner. In einer Kleinstadt westlich von Caracas
geboren, besuchte er die Kunstakademie, wobei er sich vor allem mit dem
Impressionismus und dem Kubismus auseinandersetzte. Später beschäftigte
er sich als Autodidakt mit dem Bauhaus. Damit fand er den Weg zur
Moderne. Er ist viel gereist, hielt sich längere Zeit in Spanien,
Frankreich und Italien auf, bevor er 1967 erstmals in die Schweiz kam.
Hier fand er in den konkreten Malern Vorbilder, obwohl seine Formensprache
bereits ausgebildet war. Hier hat er zur Beschwingtheit seiner Werke gefunden.
Und zu seiner Eigenständigkeit.
-
Pérez
stellt Bildrealitäten aufgrund von Entscheidungsprozessen her. Rhythmus,
Form - auch mit einfachen Mitteln - sowie Zeit bestimmen sein Werk. Der
Betrachter muss die optische Bewegung nachvollziehen, ein einzelner Ansichtspunkt
allein genügt nicht. Er muss dem einzelnen Werk entlanggehen, dieses
aus verschiedenen Distanzen und aus immer anderen Winkeln wieder ansehen.
Die Sensibilität des Bildes befragt die Sensibilität des Betrachters,
er muss sich die Zeit nehmen, dem Licht und Schattenspiel zu folgen.
|
Diagonal Amarilla
(1982)
80 x 80 x 25 cm
-
 |
Diagonal
Azul (1982)
80 x 80 x 25 cm
 |
Verde
sobre Azul (1982)
80 x 80 x 25 cm
 |
Rojo sobre
Azul (1982)
80 x 80 x 25 cm
|