Zeit
      Zeugen  -  Taschenuhren aus vier Jahrhunderten 
      Sonderausstellung im Mainfränkischen Museum Würzburg 
      Festung
      Marienberg, 97082 Würzburg 
      23.10.2002 - 23.3.2003, täglich außer Montag 10 – 16 Uhr 
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       Das
      Mainfränkische Museum Würzburg besitzt neben seinen 1999 in einer
      Ausstellung gezeigten Großuhren auch 495 Taschenuhren, Taschenuhrwerke
      und –fragmente sowie Zubehör wie Gehäuse, Brücken, Schlüssel und
      etwas Werkzeug einer Uhrmacherwerkstatt. In der Sonderausstellung „Zeit
      zeugen. taschenuhren aus vier Jahrhunderten“
      werden große Teile dieses Bestandes erstmals der Öffentlichkeit präsentiert,
      denn aus verschiedenen Gründen können die Taschenuhren nicht in der ständigen
      Ausstellung gezeigt werden. Jedes Objekt wird in einem zur Ausstellung
      erscheinenden Bestandskatalog in seinem historischen und technischen
      Kontext wissenschaftlich genau beschrieben, die meisten werden abgebildet,
      zum Teil auch in Detailaufnahmen von technischen Besonderheiten. 
      Etwa die Hälfte der 
      Taschenuhren oder Werke tragen Signaturen und Ortsangaben, ca. 100
      stammen aus Deutschland. Darunter sind auch zahlreiche Würzburger und fränkische
      Signaturen zu  finden.
      Recherchen in zahlreichen Archiven und Museen
      haben zu den signierenden Uhrmachern eine Fülle an neuen Erkenntnissen
      erbracht, die in einem Kapitel mit Kurzbiographien der
      Uhrmacher vorgestellt werden. Alle Marken, die auf Platinen oder Gehäusen
      zu finden sind, werden in Listen aufgeführt. Viele dieser Stempel konnten
      zwar noch nicht aufgelöst und zugeordnet werden, weitere Forschungen können
      dies jedoch vielleicht in der Zukunft leisten. 
        
      Die Taschenuhrsammlung
      des Mainfränkischen Museums stammt vor allem aus der  Uhrensammlung
      des Würzburger Finanzrates Gustav Frischholz und aus den
      Sammlungen des Fränkischen Kunst- und Altertumsvereins, dessen
      Konservator August Stöhr seit 1913 auch Leiter des Museums war. Eine größere
      Anzahl von Taschenuhren und -werken ist in den Jahren 1915-1917 aus dem
      Vaterlandsdank und der Goldankaufsstelle für das Museum erworben worden,
      wobei es sich vor allem um Werke handelt, deren wertvolle Gehäuse
      eingeschmolzen worden sind. Dazu kamen im Lauf der Zeit einzelne Ankäufe
      und Schenkungen. Der heutige Bestand des Mainfränkischen Museums geht
      also nicht auf eine kontinuierliche Sammeltätigkeit zurück, sondern ist
      eher zufällig entstanden. Deshalb kann man anhand dieser Sammlung zwar
      keinen kompletten Überblick über die Entwicklung der Taschenuhr zeigen,
      der Bestand weist jedoch Schwerpunkte auf, die ebenfalls eine gründliche
      Bearbeitung rechtfertigen. 
      Überwiegend handelt es
      sich bei  den
      Taschenuhren des Mainfränkischen Museums um Spindeltaschenuhren
      (ca. 85% des Bestandes). Die intensive Beschäftigung
      mit diesen Uhren hat neue Erkenntnisse zu ihrer technischen Entwicklung,
      Verarbeitung und Verbreitung hervorgebracht, die im Bestandskatalog in
      einem Aufsatz ausführlich dargelegt werden. Dies dürfte ein
      weiterführender Beitrag zur internationalen Uhrenforschung sein, in der
      die einfache Spindeltaschenuhr bislang wenig Beachtung fand, obwohl sie
      vor allem bis Mitte des 19. Jahrhunderts in ganz Europa am meisten
      verbreitet war.  
        
      So kann zum Beispiel
      manchmal anhand von in Platinen gestempelten Marken die Herkunft der
      Rohwerke festgestellt werden. In mehreren Fällen ließ sich die Herkunft
      der Werke aus der Fabrikation von Fréderic Japy in Beaucourt nachweisen,
      obwohl die Taschenuhren auf dem Zifferblatt oder auf der Rückplatine
      Signaturen von z.B. Johann Baptist Eyrich (Würzburg), Jean Romilly
      (Paris) oder anderen tragen. Dabei handelt es
      sich also meist um reine Verkäufersignaturen. Oft wurde auch
      die Finissage in der Schweiz vorgenommen und die Uhr komplett an den
      signierenden Verkäufer geliefert. So muss nach
      heutigem Kenntnisstand die Zuweisung von Taschenuhren (vor allem aus dem
      19. Jahrhundert) an die signierenden Uhrmacher in den meisten Fällen in
      Frage gestellt werden. 
       Die
      Taschenuhren des Mainfränkischen Museums werden in der Ausstellung unter
      verschiedenen Gesichtspunkten präsentiert, wobei besonderer Wert auch auf
      die technischen Entwicklungen gelegt
      wird, soweit sie am Bestand sichtbar sind. Gezeigt wird ein Querschnitt
      des Bestandes, der von der Zeit um 1600 bis zum Anfang des 20.
      Jahrhunderts reicht und Uhren aus Deutschland, Frankreich, England, der
      Schweiz, den Niederlanden, und Österreich umfasst. Die ältesten
      Taschenuhren stammen aus der Zeit um 1600 und dem Anfang des 17.
      Jahrhunderts: darunter befindet sich eine kleine Halsuhr aus dem
      deutschsprachigen Raum, die ursprünglich mit einem Stackfreed als
      Federkraftegalisierung und mit einem Stundenschlagwerk ausgestattet war,
      jedoch nur fragmentarisch erhalten ist (Abb. 1). Die silberne Anhängeruhr
      von Nicolaus Rugendas II. ist in
      Augsburg in der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts entstanden. Sie weist
      neben der Stunden- eine Datums- und eine Mondphasenanzeige auf und ist am
      Gehäuse und dem Zifferblatt aufwendig mit gravierten Rankenmustern
      verziert (Abb. 2). Auch französische Oignons des 17. Jahrhunderts
      befinden sich in der Sammlung. Darunter eines von Claude Raillard aus
      Paris, das um 1690 entstanden und mit einer besonders großen und prächtigen
      Unruhbrücke ausgestattet ist (Abb. 3). 
        
       Ein
      größerer Komplex der Taschenuhren stammt aus dem 18. Jahrhundert,
      darunter befinden sich einige von Würzburger
      Hofuhrmachern wie Johann Henner, Georg Joseph Rumpelsberger und Johann
      Baptist Eyrich. Johann Henner (1676-1756) ist mit mehreren
      Taschenuhren vertreten. Eine silberne Taschenuhr ist mit einem
      Scheinpendel im Zifferblatt versehen (wie auch bei zeitgenössischen
      englischen Taschenuhren bekannt). Es ist Teil des Unruhreifs, weshalb die
      Spindelhemmung hier auf  der
      Vorderplatine gelagert ist (Abb. 4).  
      Eine weitere Taschenuhr
      Johann Henners hat eine Viertelstundenrepetition und ist in einem prächtigen
      Doppelgehäuse aus Silber montiert (Abb. 5). 
       Schon
      im 18. Jahrhundert versuchte man, durch besondere Werbemaßnahmen den
      Absatz der eigenen Produkte zu fördern. Dabei berücksichtigte
      man, daß besonders Uhren aus England großes Ansehen genossen und auf dem
      Kontinent teuerer verkauft wurden als einheimische Produkte. So erforderte
      die Bestimmung des Uhrmachers einer vergoldeten Spindeltaschenuhr mit der
      Signatur „Drahkrub Löndon“ auf der Rückplatine (Abb. 6). detektivischen
      Spürsinn: Es handelt sich um die Signatur
      des Friedberger Uhrmachers Ferdinand (1712-73) oder Joseph (1727-80)
      Burckhard, der seinen Nachnamen als Anagramm (d.h. rückwärts gelesen)
      mit dem Ortsnamen London aufwertete. Besonders Uhrmacher aus
      Friedberg bei Augsburg scheinen sich dieser Methode bedient zu haben (z.B.
      auch „Rensseg“ für Gessner, ebenfalls in der Sammlung des Mainfränkischen
      Museums). 
        
       Die
      meisten im Mainfränkischen Museum vorhandenen Taschenuhren stammen aus
      dem 18. und 19. Jahrhundert. Eine ganze Reihe dieser Uhren aus
      dem Anfang des 19. Jahrhunderts trägt auf einer der Platinen die Marke
      „P“, die sicher von einer der Bearbeitungswerkstätten gestempelt
      wurde. Leider konnte diese Werkstatt noch nicht bestimmt werden, ebenso
      wenig wie die Marke „SEIDELE“ (Abb. 7), die an zwei Uhren  auftaucht.
      Die Herkunft einiger Rohwerke aus der Fabrikation von Fréderic Japy läßt
      sich jedoch durch den Stempel „JAPY“ nachweisen, z.B. bei einer
      silbernen Spindeltaschenuhr mit Viertelrepetition und Datumsanzeige von
      François l‘hardy (Abb. 8).  
      Einige Taschenuhren haben
      schön bemalte Emailzifferblätter.
      Darunter ist eine goldene Spindeltaschenuhr mit der Darstellung einer
      Paradieslandschaft und Adam und Eva im Sekundenzifferblatt sowie
      umlaufender Schlange als Sekundenzeiger, die in Frankreich oder der
      Schweiz um 1800 entstanden ist (Abb. 9). Besonders aufwendig ist eine
      goldene Spindeltaschenuhr mit Viertelstundenrepetition, Jaquemarts und
      erotischem Automaten gestaltet (Abb. 10). 
      Diese Art Taschenuhren waren zu allen Zeiten sehr beliebt und sind
      ganz ähnlich in vielen Sammlungen erhalten. Vermutlich
      war die Nachfrage so groß, dass sie in Kleinserien produziert und die
      Einzelteile  versatzstückartig
      eingesetzt wurden. Auffallend ist, dass diese Uhren so gut wie
      nie signiert sind; vielleicht fürchteten die Uhrmacher um ihren guten Ruf
      und ihre breiten Käuferschichten. 
        
      Neben Spindeltaschenuhren
      befinden sich auch einige Zylinder-, Anker- und
      Duplextaschenuhren im Bestand des Mainfränkischen Museums.
      Besonders reich sind die chinesischen
      Duplextaschenuhren 
      graviert, die von Bovet aus Fleurier um 1830-50 für den
      chinesischen Markt produziert wurden (Abb. 11). 
       Abgerundet
      wird die Ausstellung durch die Präsentation
      eines Werktisches des Erfurter Uhrmachers Wackernagel sowie  verschiedener Werkzeuge des 18. und 19. Jahrhunderts, um
      einen Eindruck von den Arbeitsweisen und –bedingungen
      der Uhrmacher jener Zeit zu vermitteln. Diese Objekte erhält
      das Mainfränkische Museum als Leihgaben aus Privatbesitz und aus den
      Depotsammlungen anderer Museen, sie sind also ebenfalls nur in dieser
      Ausstellung zu sehen. Des Weiteren soll den Produktions- und
      Vertriebswegen von Taschenuhren und -teilen nachgegangen werden, den
      Beziehungen zwischen deutschen / fränkischen und englischen,
      schweizerischen und französischen Spindeltaschenuhren.   
        
      Abbildungsunterschriften
      (die Bilder sind aufsteigend
      in den Text eingeliedert): 
      
        - 
          
Abb. 1: Achteckige
          Halsuhr, Deutschland, Anfang 17. Jahrhundert, Rückplatine  
        - 
          
Abb. 2: Silberne Anhängeruhr,
          Nikolaus Rugendas II, Augsburg, 2. Hälfte 17. Jahrhundert  
        - 
          
Abb. 3: Oignon,
          Claude Raillard, Paris, um 1690, Rückplatine  
        - 
          
Abb. 4: Silberne
          Taschenuhr mit Scheinpendel, Johann Henner, Würzburg, 1. Viertel 18.
          Jahrhundert  
        - 
          
Abb. 5: Silberne
          Spindeltaschenuhr mit Viertelstundenrepetition, Johann Henner, Würzburg,
          um 1720  
        - 
          
 
        - 
          
Abb. 7:
          Spindeltaschenuhr, Frankreich / Schweiz, 19. Jahrhundert  
        - 
          
Abb. 8: Silberne
          Spindeltaschenuhr mit Viertelstundenrepetition und Datumsanzeige, François
          l’hardy, Frankreich / Schweiz, um 1820-30, Stempel auf der
          Vorderplatine  
        - 
          
Abb. 9: Goldene
          Spindeltaschenuhr mit umlaufender Schlange, Frankreich / Schweiz, um
          1800  
        - 
          
Abb. 10: Goldene
          Spindeltaschenuhr mit Viertelstundenrepetition, Jaquemarts und
          erotischem Automaten, Frankreich / Schweiz, um 1820  
        - 
          
Abb. 11: Taschenuhr
          mit chinesischer Duplexhemmung, Edouard Bovet, Fleurier, um 1820-50  
       
        
      Katalog 
      Taschenuhren
      aus vier Jahrhunderten aus den Sammlungen des Mainfränkischen Museums Würzburg,
      bearbeitet von Ian D. Fowler und Frauke van der Wall, Sammlungskatalog Bd.
      XVI, ca. 300 Abbildungen, davon 16 farbig; ISBN 
      3-932461-20-7, Würzburg 2002 (Erscheinungsdatum: Ende Oktober),
      ca. EUR 17.-.  
      Weitere Details zu den
      Bestandskatalogen und zur Ausstellung findest Du hier. 
        
       
Einige  Impressionen aus
einer Führung durch die Ausstellung   
      (leider sind die Bilder aufgrund des Blitz-Verbotes nicht so sehr
      "qualitätsvoll"): 
       
        
       
        
       
    Für weitere Informationen wende Dich bitte
    an : Ian
    D. Fowler 
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