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Besuch beim Turmuhrensammler
Josef Schröer © Christian Borck, Breuberg |
Ein Besuch beim Konditor - hm - nein, ein Besuch beim Sammler |
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Anmerkung: Dieser Bericht von Christan Borck wurde bereits in einigen Zeitschriften (u.a. von der Stadt Bocholt) veröffentlicht. Fragen und Informationen an/für den Autor Christian Borck. Und Christian ihn nun auch der UhrenHanse zur Veröffentlichung zur Verfügung gestellt.. Dafür eine herzliches Dankeschön. Fragen und informationen an/für den Autor Christian Borck. |
Ein Besuch beim Konditor - hm - nein,
ein Besuch beim Sammler. Bilder zum Vergrößern bitte anklicken Ja, es ist schwer, den richtigen Titel zu wählen, wenn schon die Brötchentüten den Aufdruck tragen "Rund um die Uhr frische Brötchen". Nachdem jahrelangem Sammeln wurde es ihm vor
fünf Jahren möglich, seine Prachtstücke in würdigem Rahmen zu präsentieren. Ich denke noch an die beindruckenden Momente, als wir im April 1992 mit dem Turmuhrenkreis der Deutschen Gesellschaft für Chronometrie bei der von Josef Schröer vorbereiteten Bocholter Tagung erstmals vor einer Grashopper Hemmung an einer Turmuhr standen, oder vor dem Denisongang, der ja an der Uhr des englischen Parlamentgebäudes erstmalig realisiert wurde. Ja, sogar mehrere Geschäfte der Bocholter Innenstadt beinhalteten damals Turmuhren samt zugehöriger Dekoration. Eine dieser Dekoration ist Schuld, das meine Frau heute eine mechanischen Damenuhr der Firma Vortmann trägt. Nachdem man bei geeigneten Temperaturen auf der Terasse eine Tasse Kaffee mit frischem Erdbeerkuchen zu sich genommen hat (frischer geht's ja wohl nicht) und die beeindruckende Fassade der Liebfrauen Kirche mit den Augen vermessen hat, beginnt man vielleicht mit den Turmbekrönungen und Steinmetzarbeiten, die sich im Sammlerleben hier auf dem Firmendach zusammengefunden haben. Ein Bogenfries und ein Brüstungsmaßwerk vom Freiburger Münster, ein Fenstermaßwerk vom Kölner Dom und eine achteckige Säule mit Knospen und aufgesetzter Kreuzblume von der Lambertikirche in Münster sind die schönsten Stücke die es hier zu sehen gibt. Viele Fragmente von Wetterfahnen und Kugelknöpfe von Kirchtürmen sind als Arrangement zusammen gestellt. Selbst zwei Türme 6 m hoch von der Basilika in Kevelaer schmücken heute das Dach der Backstube.
Die Räume hell und freundlich, die Dielen wie für die Turmuhren gemacht und alles durch Halogenstrahler in Szene gesetzt, eben wie ein Museum aussehen soll. Hier ist wirklich die Möglichkeit gegeben, die Turmuhren, Turmbekrönungen und Glocken in ihrer ganzen technischen Schönheit und Komplexität zu betrachten. Und wenn die Gewichte der Turmuhren mit Mühe hochgezogen sind, füllt sich jedes Zimmer mit dem Geräusch von einfallenden Hebeln, mit dem Knarren der auslaufenden Windflügeln und dem behäbigen Ticken der Turmuhren. Turmuhrenliebhaber- und Sammlerherz, was brauchst du mehr ? Durch sonnendurchflutete Fenster kommen die
vielen Windfahnen richtig zur Wirkung und zeigen die ganze Liebe die der Handwerker in die
einzelnen Stücke steckte. Möchten wir uns gar in die Küche setzen die den Namen "Zeigerzimmer" trägt, mit ihren unzähligen Zeigerpaaren, die sich einst bei Wind und Wetter auf den Kirchtürmen drehten? All diese Zeigerpaare sind zum greifen Nahe. Turmbekrönungen und nicht zuletzt die prachtvollen Nachbildung der astronomischen Uhr von Laurentius Lichti von 1529, hier mit modernem Synchronmotor angetrieben, damit man die Indikationen auch wirklich aus der Nähe bewundern kann, oder möchten wir zuerst die aus Sandstein gehauene, im hellem Sonnenlicht stehende Sonnenuhr, von 1420 oder früher, betrachten. Egal wie wir uns entscheiden, hier ist mit viel Liebe zum Detail auch das Zubehör präsentiert, was zum Betrieb der Turmuhren seinerzeit nötig war und teilweise noch ist, bzw. sind Teile präsent, die auch heute noch zur Gesamterscheinung eines Kirch- oder Rathausturmes gehören. Wenn Zeit genug ist, rückt Josef Schröer auch mit Geschichten zu den einzelnen Turmuhren heraus, das Salz in der Suppe. Ja, die Dinger haben eine Geschichte. Und das ist es, was mich persönlich begeistert, Josef hat sich in die Forschung nach zwei bedeutenden Turmuhrherstellern des 19ten / 20ten Jahrhunderts eingeklinkt. Firma Vortmann aus Recklinghausen, und die Lössle Uhr aus Bad Aussee. Ein mühsames Unterfangen, wie ich aus eigenem Erleben weiß. Außerdem ist die Nachforschung über den Verband der Turmuhrfabrikanten Deutschlands sein Forschungsgebiet. Und wie etliche Ordner, Druckklischees, Fotografien und alte Kataloge in seinem Arbeitszimmer im oberen Stockwerk bezeugen, ist er fündig geworden. Hoffentlich erscheinen als Resultat eines Tages Veröffentlichungen darüber. Darf ich hiermit ermutigen? Doch da rappelt es gerade in einer Ecke und
wir wenden uns schnell wieder den Uhren zu. War das gerade der Mannhardt Freischwinger?
Wenn der sich muckt, muß ja wohl schon wieder eine Stunde um sein, denn sonst hört man
ihn ja gar nicht. Ja, auch der Mercedes der Turmuhren steht bereit für den Betrachter. Aber ehe ich mich verzettele, möchte ich mit dem Leser vom Flur aus die Zimmer mal der Reihe nach durchgehen. Im Flur könnte derjenige der nach dem Treppen steigen bis in den 3. Stock noch Luft hat, seine Puste an diversen mannshohen Orgelpfeifen ausprobieren. Wir gehen aber los, richtig im Uhrzeigersinn und beginnen in der "Sekundensuite". Hier dominiert die große seltene Vortmann, die selbst die Außendienst Techniker der Firma nicht kennen. Ein bißchen französich angehaucht, trohnt ein geschwungener Rahmen mit dem Gangwerk über einem teilbaren Chassis mit den Schlagwerken. Ein anderthalb Meter langes Pendel mit dem einem Mannhardt'schen Freischwinger vergleichbar und das Schaltrad befindet sich an der Wandseite, während uns ein großes Kontrollzifferblatt anblickt. Wieder befinden sich, diesmal große Zifferblätter mit ihren Zeigern an den Wänden, ergänzt durch viele Dutzend unterschiedlich langer, aus unterschiedlichem Material und aus unterschiedlichen Epochen stammenden Zeigerpaaren. In den Fenstern hängen mehrere alte Wetterfahnen und auf den Fensterbänken befinden sich solche Schmankerl wie Wetterhahn, Sonnenuhr, Kontrollzifferblätter, kleine Glocken und sogar eine Spielwalze eines Musikautomaten. In der einer Ecke ducken sich ein paar Orgelpfeifen an die Wand und scheinen auf große, aus Kupfer und Messing gefertigten alten Rosetten-, die einst die Mitte von Zifferblättern schmückten, zu zeigen. Vergessen wir die weiteren Uhren nicht. Auf
den ersten Blick wie eine Mannhardt aussehend, steht dort eine "Johann Huber in
Fehleiten" mit Reversionspendel, ( Gegengewichtpendel ) d.h. das Pendel ist in der
Mitte auf einer Schneide gelagert, während die unter Hälfte wie üblich ihren unteren
Bogen beschreibt, wobei die schwere Pendellinse sehr knapp am Boden vorbeizieht, Neben einer Korfhage-, Weule-, Hörz- und einer nicht definierbaren, blau angestrichenen Turmuhr mit Flachrahmen halb geschmiedet, halb aus der Fabrik, die durch einen Holzrahmen unterstützt wird, (wer hat denn so was schon mal gesehen?) ist vor allem noch ein seltenes Stück von Mannhardt zu sehen. Eine Turmuhr mit Vergangenheit, wie man unschwer am ehemals gebrochenen Rahmen des Gangwerkes sieht und genau hier sieht man die Besonderheit für eine Mannhardt Turmuhr: Sie hat eine Graham Hemmung, etwas bei dieser Firma ganz ungewöhnliches. Den großen Gewichtswalzen sieht man an, das relativ schwere Glocken angeschlagen werden konnten.
Nun setzen wir aber unseren Weg fort und gehen in die "Stundenstube". Hier befinden sich nur geschmiedete Uhren mit unterschiedlichen Hemmungen wie z.B. Hakengang, Stiftengang und Spindelgang. Vor allem die große Flachbett Maschine, so muß man hier wohl sagen, mit Stunden-Nachschlag hat es mir angetan. Abgesehen von ihren Abmessungen 2,5 m mal 2 m und zusammen mit Bock guten 1,8 m Höhe erinnern mich genau diese Maße an die Geschichte mit der Garage. Konnte doch Josef Schröer seine Garage nach Erwerb dieser Turmuhr zunächst nicht mehr benutzen und auch später nur eingeschränkt, als ein extra gefertigtes Gestell die Uhr über das Auto plazierte. Welche Mühen werden doch für unser schöne Hobby aufgewendet. Nebenan steht eine kleine Turmuhr, bei der die nach Umbau von Waagbalken auf Spindelgang sogar noch die überzähligen Teile wie Kron- und Spindelelrad dran hängen ein kleines Detail, daß aber selten zu erleben ist.
Hatte ich schon erwähnt, das gleich links das Pendel einer alten geschmiedeten Uhr mit Pfeilerbekrönungen an einem Lederriemen hängt? Die Löcher bereit zur Pendellängenverkürzung.
So, vorbei an einem sehr schönen Hier dominiert eindeutig der Mannhardt Freischwinger in seinem Uhrenkasten. Wie schon erwähnt, der Mercedes unter den Turmuhren. Aufgrund der Konstruktion mit dem nur einmal in der Minute im Eingriff befindlichen Antrieb wirklich als Freischwinger zu bezeichnen. Ein edles Stück, zumal es sich hier auch im tiefen Weinrot mit Goldkanten präsentiert. Natürlich sehen wir in diesem Raum -
namensgebend - jede Menge Glocken, groß und Eine französische "Guioth" Uhr mit Gangwerk und viertel- und Stundenschlag, soll demnächst vier Glocken, die schon in ihrem alten Glockenstuhl hängen, erklingen lassen. Im Hintergrund konkurrieren in verschiedenen Höhen viele Wetterhähne. Auge in Auge mit den sonst so fernen Vögeln muß sich der Betrachter in dieser Ausstellung erst an den ungewöhnlichen Blickwinkel- und an die erstaunliche Vielfalt der Exponate gewöhnen. So gleicht z. B. kaum ein Hahn dem anderen. Nicht unerwähnt ein wunderschönes, patiniertes Zeigerpaar aus Kupferblech, ca. 3,50 m Länge von einer Norddeutschen Rathausuhr das beim Eintritt in die Glockengasse sofort ins Auge fällt. Ein Leckerbissen steht hier am Fenster. Eine
V.Kretschmer aus Prag von 1884 mit fünfarmigen Denisongang, auf die ich zu Beginn schon
hinwies. Ja, immer, wenn man Gelegenheit hat, steht man staunend vor einer solchen
Turmuhr, deren Entwicklung untrennbar mit der Uhr des englischen Parlaments verbunden ist,
und deren Konstrukteur sogar geadelt wurde. Weitere Werke von Neher, Perrot, Mannhardt, Rochlitz, Saam und eine schöne Wagner Paris, die Geschichte hat und wie erwähnt bei genügend Zeit erzählt wird, runden die Ausstellung dieses Raumes ab. Wieder ergänzen Zifferblätter in runder und quadratischer Form das Ambiente. Ein langes Holzpendel in handwerklich vorzüglicher Ausfertigung zeigt das Können unserer Vorfahren, es stammt offensichtlich von einer Mannhardtuhr. Drehen wir uns nun noch mal um, sehen wir an der Wand ein altes Dokument vom 19. Juni 1849 aus einem Kugelknopf einer Kirchturmbekrönung, welches die Geschichte des Turmkreuzes 1669 beginnend und über 3 Jahrhunderte erzählt, mit allen Daten der Erneuerungen von 1669, 1713, 1800, 1804 und letztendlich 1926. Auch das dazu gehörende Turmkreuz von etwa 1550 fehlt nicht in der Sammlung.
Der vielen Eindrücke voll, geht es nun Richtung Heimat und man ist eigentlich in der Abreise. Da heißt es: "Komm' mal schnell gucken, ich hab da noch was" heißt es. Und schon bleibt einem wieder der Mund offen, als Josef eine Art Reservatenkammer aufmacht und fragt, ob man nicht mal eben eine alte historische Glocke mitnehmen möchte (wie lange sucht man schon nach einer?) oder vielleicht doch lieber die alte englische Turmuhr dort in der Ecke - ein verschmitztes Lächeln: "Ich kann ja nicht alles aufheben". War gesprochen, aber eben auch nett, zu fairem Preis dem Kollegen ein schönes Stück anzubieten. Ja, und schon findet man sich beladen die Treppe runter balancierend. Und- so dürfte es den meisten der Leser ergehen (Entschuldigung, liebe Frauen der Turmuhrfreunde) den "Anpfiff" der besseren Hälfte daheim entgegen sehend. Tja, dieses ist aber eben auch das nicht Übliche, oder haben Sie schon mal in Furtwangen im Deutschen Uhrenmuseum eine Uhr mit nach Hause genommen? Wenn ich vergleiche: jedes Turmuhrenmuseum hat seine Eigenart. Die Komplexitätin Bad Grund, das Heimelige in Rockenhausen, die Sylvesterkirche samt TURM in Mindelheim, das u(h)rige in Mistelbach, der helle, schöne Neubau in Mainhardt, und alle anderen, die jede für sich ein Lebenswerk dokumentieren; aber das was ich heute sah, ist in seiner Art und Vielfalt einmalig und kaum zu überbieten. Mit so vielen Turmuhren unter einem Dach leben ist doch sehr selten, mir fällt ad-hoc nur Bernhardt Schmidt in Gelnhausen ein. So, wenn man jetzt noch im Keller nach einer passenden Pendellinse und einem Zifferblatt gesucht hat und man eigentlich heimfahren will, wird man freundlich in die Backstube gebeten und bekommt für den Nachhauseweg noch eine Tüte Brötchen oder Backwaren mit. So wird einem selbst der Abschied versüßt. Da versprech' ich gerne: "Ich komme wieder, Josef ", wegen - hmm- allem eben ! Christian Borck, Ritzert Turmuhrenforschung Für weitere Informationen wende Dich bitte an : Christian Borck
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