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Bericht des DGC-Arbeitskreises Elektrische Uhren
über den 3. Markt für Elektrische Uhren am 23./24.3.2002 in Mannheim

© Thomas Schraven


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Endlich war es soweit und die Freunde der elektrischen Uhren machten sich auf die Reise nach M., wobei M. nicht für Mekka sondern für Mannheim steht. Da der Markt am 23.3. bereits um 10 Uhr beginnen sollte reisten viele Teilnehmer schon am Freitag an. Durch den Beginn der Osterferien war die Anreise allerdings beschwerlich und man musste sich zwangläufig der „Go-Slow-Bewegung“ auf bundesdeutschen Autobahnen anschließen. 

Jeder war dann froh als er endlich in der Seckenheimer Hauptstrasse 128 angekommen war und dort die ersten Freunde begrüßen konnte. Sofort wurde ausgeladen und mit dem Aufbau der Stände begonnen. Till & Ralph Lottermann, Franz Wolff und einige freiwillige Helfer hatten die vorhandenen Räumlichkeiten wieder vorbereitet, Zimmer reserviert und den gesamten Markt perfekt organisiert. 

Klar, während des Aufbaus wechselten die ersten Uhren und Schriftstücke schon den Besitzer. Die ersten Besucher waren inzwischen ebenfalls eingetroffen und nutzen die Gunst der frühen Stunde. Gegen 20 Uhr wurde die Scheune dann verschlossen und 30 Uhrenfreunde trafen sich wenig später im Blauen Engel, um den Tag gemütlich ausklingen zu lassen. 

Samstag gegen 9 Uhr wurden die Tore dann wieder geöffnet und die Besucher strömten in die alte Tabakscheune. Etwa 150 Uhrenfreunde kamen aus der Schweiz, aus den Niederlanden, aus England, aus Österreich und aus Deutschland. Die weiteste Anreise hatte ein Enthusiast aus Wales, der gleich die ganze Familie mitbrachte. Unter den Gästen fand man auch bekannte Gesichter, wie Beatrice Techen, Christian Bork, Hans Jochen Kummer, James Nye, Günther Ramm, Klaus Schlaefer, Werner Schmid und Wolfgang Wimmer.

25 Aussteller sorgten für ein phantastisches und sehr vielfältiges Angebot rund um die elektrische Uhr. Gegenüber dem Jahr vorher war das Angebot um 100% größer. Während früher vorrangig Haupt- und Nebenuhren zu finden waren, gab es diesmal auch frühe elektrische Armbanduhren, Schaltuhren, Stempeluhren Treppenhausbeleuchtungsapparate, Elektrizitätszähler, elektromechanische Messgeräte, Batteriewerke, elektrische Geräte aus der Uhrmacherei, Quarzuhren, Synchronuhren, Turmuhren und auch wieder viel Literatur und Ersatzteile.

Alle bekannten Hersteller elektrischer Hauptuhren waren vertreten, C.T. Wagner, Electrique Brillié, Elektrozeit, Bohmeyer, Moser-Baer, Aron, RFT, Telephonbau & Normalzeit, Gent, AEG, Bürk, Landis & Gyr(Inducta), FAVAG, Siemens & Halske, Benzing, Elektrische Normaluhr GmbH.... Zu diesen Hauptuhren gab es selbstverständlich auch passende Nebenuhren in verschiedenen Ausführungen. Die Schweizer Uhrenfreunde hatten fast das gesamte Lieferprogramm der FAVAG/Neuchatel im Kofferraum und viele diese Uhren fanden sehr schnell einen Liebhaber. Selbstverständlich gab es auch die schönen kleinen elektrischen Tischuhren von Bulle, Poole, Ato, Barr, Schatz, Tiffany ... 

Ein besonderer Leckerbissen war ein alter aber ungebrauchter Baukasten für eine elektrische Uhr, geeignet für Kinder ab 10 Jahren. Dieses technische Spielzeug gelangte jedoch nicht in Kinderhände sondern in die Hände eines älteren Uhrensammlers. Die älteste Uhr auf dem Markt war eine Pendeluhr mit Hipp’schem Pendelkontakt, signiert J. Ferat defsinateur(Konstrukteur) à Paris 1871. Das Uhrwerk besteht nur aus einem Zählrad und einem elektrischem Kontakt, die Zeitanzeige erfolgt über ein unpolarisiertes Nebenuhrwerk. Das extrem verzierte Sekundenpendel ist auf einem geschnitzten Brett befestigt und schwingt frei im Raum. Ein weiteres Bonbon war eine runde Wanduhr von Heinrich Cohen jun. aus München nach DRP 150493. Die Uhren von Heinrich Cohen sind sehr selten und es existieren heute nur noch wenige Exemplare(4). Ebenfalls sehr rar waren 4 elektrische Nebenuhren der Zeh Gleichrichter GmbH aus Freiburg. Diese Uhren wurden um 1930 hergestellt und werden von einer Hauptuhr angetrieben, die nach dem System von Froment arbeitet. Leider wurde keine WZ-Hauptuhr angeboten. 

Erwähnenswert sind noch 2 wunderschöne Nebenuhren von C.T. Wagner/Wiesbaden, die vor 1900 gefertigt wurden, sowie 2 Exemplare der elektropneumatischen Uhr „Elektronom“ von Junghans. Junghans hat das „Elektronom“ zwar verkauft, aber die Patente gehören Martin Fischer, dem Erfinder der Magneta Hauptuhr. Verkauft wurde auch eine herrliche Nebenuhr im Holzgehäuse aus der Fabrikation von Henry Campiche. Diese Uhr dürfte um 1905 entstanden sein. Und wieder gab es viel Literatur zu elektrischen Uhren, als Nachdruck und auch als Original. Das teuerste Buch war eine kolorierte Originalausgabe eines Lehrbuches von Dietzschold. Da dieses Buch aber nur „stromlose“ Uhren behandelt, wurde es nicht verkauft.

Festzustellen war, dass die Freunde der elektrischen Uhren generell früh auf die Jagd gehen. Wer nicht schon am Freitag das Angebot untersucht und geprüft hatte, kam dann am Samstag ganz früh. Nachmittags nahm die Besucherzahl deutlich ab, was aber keinerlei negative Auswirkungen hatte. Alles was gut und interessant erschien hatte bereits einen neuen Besitzer gefunden. Gegen 18 Uhr wurde der Markt beendet und nachdem wir uns dann 2 Stunden regeneriert hatten brachen wir wieder auf zum Blauen Engel. Dort trafen sich dann ca. 45 Uhrenfreunde, um bei gutem Essen und frisch gezapftem Pils den schönen Tag zu zelebrieren. Der harte Kern der Elektrouhrenfreunde beendete diesen wunderschönen Abend allerdings erst am Sonntag. 

Das neue Konzept sah für den Sonntag dann ein Treffen des Arbeitskreises und 3 Vorträge vor. Ein Vortrag wurde leider kurzfristig abgesagt. Entsprechend dem gelungenen Lottermann'schen Organisationstalent wurde die Marktscheune in Windeseile in einen Sitzungsraum umfunktioniert.


Bild 1:
Die „Fuldensia“ Uhr

Da es keine besonderen Besprechungspunkte gab konnten wir sofort mit den Vorträgen beginnen. Unser Freund, Ivo Creutzfeldt, erforscht seit 2 Jahren die Geschichte der Mitteldeutschen Uhrenfabrik in Wolfhagen bei Kassel und gab einen ersten Zwischenbericht über seine Forschungsergebnisse. Die Fabrik existierte von 1909 bis 1914 und stellte eine elektrische Uhr her, die unter dem Namen „Fuldensia“ verkauft wurde. Die „Fuldensia“ Uhr ist durch Patente von Ferdinand Schneider geschützt, welche die Fabrik 1909 erwarb. Die Uhr selbst besitzt einen kleinen Motor, der das Uhrwerk aufzieht und gleichzeitig das Schlagwerk betätigt. Leider war die „Fuldensia Uhr“ ein wirtschaftlicher und auch technischer Misserfolg, wurde aber später von der Firma Kienzle verbessert und dann als „Kienzle Electric“ vermarktet. Ein „Fuldensia“ Uhrwerk wurde gezeigt und vorgeführt.

Direktor der Wolfhagener Uhrenfabrik war damals Ferdinand Thiesen, der allen Uhrenfreunden durch seine 3 Bände „elektrische Uhren für technische Zwecke“ bekannt ist.

 Durch diese Verknüpfung musste Herr Creutzfeldt seine Forschungstätigkeit auf die Person F. Thiesen ausdehnen. Einige historische Details wurden bisher gefunden, z.B. dass Ferdinand Thiesen auch für C.T. Wagner in Wiesbaden arbeitete. F. Thiesen war auch ein leidenschaftlicher Publizist, der neben technischen Informationen zu elektrischen Uhren auch Schriften zur Gesundheit des Uhrmachers, zum Rechnen mit Logarithmen oder zu Nähmaschinen und Fahrrädern publizierte. Der Referent berichtete abschließend über seine Erfahrungen und auch die Schwierigkeiten bei solch einer Datensuche. Das wohl größte Ärgernis ist, dass es Uhrenfreunde gibt, die über Informationen verfügen, diese aber nicht weitergeben wollen. Nach dem Vortrag gab es eine lebhafte Diskussion und der erfahrene Rechercheur Hans Jochen Kummer gab wertvolle Tipps für weitere Wege der Datenfindung. Wir hoffen, dass es Ivo gelingen wird noch weitere Daten zu Ferdinand Thiesen und zur Mitteldeutschen Uhrenfabrik zu finden.

Direkt anschließend berichtete Thomas Schraven über seine Recherchen zum elektromechanischen Chronoskop von Matthäus Hipp. Die Anschaffung eines Chronoskops löste Ende 1999 diese Suche aus, die sich dann rasch weltweit ausbreitete (siehe Bericht bei UhrenH@nse.de) und auf eine phantastische Resonanz stieß. Dies ist dem glücklichen Umstand zu verdanken, dass diese alte Messinstrument, auch heute nach 150 Jahren, noch ein Heiligtum ist und historisch interessierte Wissenschaftler in der ganzen Welt verbindet.

 Bild 2: Psychologischer Versuchsaufbau mit Chronoskop, Schallschüssel, Gedächtnisapparat, Pohlscher Wippe und Reaktionstaster(aus Liste 50 von E. Zimmermann)

In Mannheim wurden jetzt zum ersten mal Forschungsergebnisse bekannt gegeben. Das gesamte Projekt wird allerdings erst am 23.11.2002 im Science Museum/London bei einer Veranstaltung der Electrical Horological Group der AHS vorgestellt.

Das Chronoskop basiert auf Ideen von Charles Wheatstone, der solch ein Instrument an das Polytechnische Institut in Karlsruhe lieferte. Dieses Chronoskop war leider für präzise Kurzzeitmessungen ungeeignet. Der geniale Uhrmacher M. Hipp aus Reutlingen konnte das Instrument dort untersuchen und bereits nach kurzer Zeit hatte er die Fehler erkannt. Hipp baute wenig später sein eigenes Chronoskop, das schon bald zum erfolgreichsten Präzisionsmessinstrument der Wissenschaft wurde. Einsatzbereiche waren Physik, Ballistik, Astronomie, Psychologie, Sport und Technik. Die ersten Chronoskope hat Hipp um 1847 verkauft. Das älteste heute noch existierende Instrument ist signiert „M. Hipp in Reutlingen“ und wurde im März 1849 ausgeliefert. 

Gefunden wurden weitere frühe Instrumente in Heidelberg(1850-1852), London(?) und Pisa(vor 1860). Das Chronoskop wurde in Laufe der Zeit mehrmals verändert. Die ersten Instrumente erlaubten Messungen im Bereich von 1/500 sec, nach 1849 dann 1/1000 sec. Seit 1848 lieferte der Uhrmacher Hipp ein Eichnormal zum Chronoskop und war damit seiner Zeit weit voraus. 1875 entstand dann ein verbessertes Chronoskop, das wesentlich bessere Messmöglichkeiten lieferte. Dieses Instrument kam praktisch unverändert bis kurz vor dem Krieg zum Einsatz. Einen wesentlichen Beitrag zur Verbreitung des Chronoskops leistete der Psychologe Wilhelm Wundt aus Leipzig, der um 1875 einen neuen Bereich der Wissenschaft gründete, die sog. experimentelle Psychologie. Wundts Lehre wurde weltweit anerkannt. Da Wundt das Hippsche Chronoskop bei seinen experimental psychologischen Untersuchungen und Studien benutzte, wurde dieses bald zum Standardinstrument der frühen Psychologie.

Aber auch nach dem Krieg wurden noch Chronoskope hergestellt. Bei dieser modernen Ausführung wurde das antreibende Gewicht durch einen Synchronmotor ersetzt. Instrumente dieser Art wurden bis ca. 1975 von der FAVAG in Neuchatel hergestellt.

Bis heute wurden genau 100 Chronoskope gefunden und untersucht. Diese Instrumente sind heute in Museen oder an Universitäten zu finden, die Anzahl der Instrumente in Privatbesitz ist verschwindend gering. 59 Chronoskope können zweifelsfrei Hipp und seinen Nachfolgern zugeschrieben werden, denn alle diese Geräte sind signiert u/o. nummeriert. Nach 1880 sind dann auch andere Lieferanten für das Hippsche Chronoskop zu registrieren. Die meisten Anbieter waren jedoch Händler und haben selbst keine Chronoskope gebaut. Das größte Rätsel gibt die Firma E. Zimmermann aus Leipzig auf, die weltweit psychologische Instrumente verkaufte. Von den 100 gefundenen Instrumenten tragen immerhin 35 die Signatur von E. Zimmermann aus Leipzig. Die Frage, wer diese Instrumente gebaut hat konnte bis heute nicht sicher geklärt werden und deshalb ist jeder Hinweis zur Firma Zimmermann wertvoll. Sicher ist, dass außer M. Hipp auch die Firma Strasser und Rohde in Glashütte eigene Chronoskope herstellte. Mit einer Vorführung des Chronoskops No. 2889 endete dann der Vortrag. 

Nach der Diskussion brachen die Uhrenfreunde wieder in Richtung Heimat auf.. Herzlich gedankt sei allen Teilnehmern und der Lottermann Crew für die exzellente Vorbereitung. Wir alle freuen uns jetzt schon auf den 4. Markt für elektrische Uhren in Mannheim.

Dr. Thomas Schraven (Vorsitzender des DGC-Arbeitskreises für Elektrische Uhren)

 

Bei Interesse wende Dich bitte an : Thomas Schraven

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