. . .

Standuhren aus dem 19. Jh. im Zuchthaus von Vechta 2
©
Heinz-Günter Vosgerau 2001


Die Vechtaer Strafanstalt als Produktionsort und Hort bedeutender historischer Standuhren

.

Anmerkung:
Diese Artikel von Heinz-Günter Vosgerau wurden im Jahrbuch für das Oldenburger Münsterland 1998 veröffentlicht und sind auch als Sonderdruck erschienen.  Fragen und Informationen an/für den Autor Heinz-Günter Vosgerau.

zu Regionalen Uhrmacherei/Oldenburger Münsterland
zu Regionale Uhrmacherei  D
zu Regionale Uhrmacherei
zu Sammler-Ecke
Home Hanse


Details zur Uhr

Bild zum Vergrößern bitte anklickenHier also hat Johann Röben aus Nordloh die Standuhr gebaut. Er muss gewisse Privilegien gehabt haben, um ein solches Werk unter den Verhältnissen zu erschaffen. Nach seinen Angaben hat er nicht nur das Uhrwerk sondern auch das Gehäuse erstellt, obgleich er weder Uhrmacher noch Tischler war.

Die Uhr war im Besitz der Bezirksregierung und ist vom Regierungspräsidenten dem Freilichtmuseum Cloppenburg zur Verfügung gestellt worden.

 

Das Gehäuse entspricht in der Form dem Stil der Zeit und besitzt eine Höhe von 2.54 Meter (s. Abb.). Das emaillierte Zifferblatt hat einen Durchmesser von 32 cm. Die drei Öffnungen zum Aufziehen der Uhr im Zifferblatt sind für das Gehwerk, Stundenschlagwerk und Viertelschlagwerk.

Das Viertelschlagwerk ist durch eine kleine Glocke zu hören, der Stundenschlag durch die große (s. Abb.).

pfeil_o.gif (59 Byte)

Die Platinen, das sind die Messingplatten, zwischen denen die Räder laufen, sind ungewöhnlich dick. Hier scheint es Röben an dem richtigen Zulieferer gefehlt haben (s. Abb.). Auch der Rand aus Messingblech , der als Auflage für das Zifferblatt dient, ist aus mehreren Stücken zusammengelötet.

 

Röben hat eine "Gebrauchsanweisung" für seine Uhr verfaßt und an die Innenseite der Tür des Gehäuses geklebt. Sie verrät Einzelheiten und technische Zusammenhänge:

Notiz: Herrn

Bild zum Vergrößern bitte anklickenbitte den Herrn Uhrmacher fragen, das wenn diese Uhr setzt wird das die Gabel hinter Uhr ja so gerichtet wird, das Fiebration des Perpendicels nach Seiten von gleicher Dauer ist..... tritt der Sekundenzeiger das eine um das andere mal weniger über, den.... überdies schwer das er alle mal g...... weit übertritt, da er seine Bewegung nicht vom Zeiger selbst hat, und nicht gut haben konnte , und die Uhrräder ließen ihn gerne etwas spielen oder schlot(t)ern, dies kann aber mit der Drückfeder am kleinen ................. rade leicht verhütet werden, ich konnte den Sekundenzeiger deshalb nicht vom Zeigerrade bewegen lassen weil ich kein Zieferblat mit besonderenSekunden zahlen bekommen konnte und es nimmt sich nach der Regel außerdem beßer aus, daß zuerst die Stunden, Minuten und dan die Sekunden auf der Mitte gezeigt werden, als vor einem besonderen Kreiß um dies zu bewirken müßte wie an der Uhr sichtlich die Minutenzeigerwelle ihrer ganzen Länge nach durchbohren. Dies hat mir Mühe und auf den Gedanken zu kommen manchen Säufzer gekostet, und dazu können die beiden Wechselräder am Sekundenzeiger und das Zeigerrad nicht so genau von mir bearbeitet werden als sie eigentlich müßten, denn mir fehlt die dazu erforderliche Räderschneide-Maschine, auch habe ich noch zu diese große Uhren noch keinen Eingreifs Zirkel.

pfeil_o.gif (59 Byte)

Die Uhr gehet aber recht gut, und ist dabey dauerhaft gemacht, beides kann mit warheit nicht anders gesagt werden. Die Uhr wird auch nicht leicht streiken und stille stehen wenn ihr nur das recht oel gegeben wird, den sie gehet sehr leicht.

Bild zum Vergrößern bitte anklickenSollte es sein, daß die Uhr etwas zu geschwind oder zu langsam ginge, so kann dis leicht gehoben werden, im ersten Fall wird die Linße durch die Schraube etwas niedriger gelaßen, im letzten Fall wird die Linße durch die Schraube um etwas erhoeht, übrigens müßen die Reportir und schlagwerker und die Wechselräder am Secundenzeiger ganß genau so wieder zusamen gesetzt werden, als die jetzt zusamen gesetzt sind, welches auch bey jede andere Uhr der Fall ist. Daß große Wechselrad muß so wieder auf des Kleinenbodenradeachse gestochen werden als es jetzt ist und durch zwey Striche gemerket ist, das Kleine Wechsel radt muß genau da, woh es mit einem punkt bemerkt ist, auf die Stelle wohl das große eben Falls mit einem Punkt bemerkt ist ein greifen. Die 3 Gewichten muß wie hir folgt an die Uhr angehangen werden. - Das mit A. bezeichnete gehört zur linken Seite, wenn ich vor die Uhr stehe, an das 1/4 Schlagwerk. Das mir B. bezeichnete gehöret in der Mitte am Gehwerk. Das mit C. bezeichnete gehöret zur Rechten am Stundenschlagwerk.

pfeil_o.gif (59 Byte)

Diese Uhr ist im Jahre 1826 und 27 von mir ungelärnt gemacht worden, das Gehäuße dazu ebenfalls.

Vechta im Zuchthause den 26. May

Joh. Hinr. Diedr. Röben

BM
Diese Uhr gehet 1 Woche 1 Tag und 12 Stunden

Im Juli 1948 wurde das Werk gründlich überholt durch den Uhrmachermeister Adolf-Ernst Harms und die Uhrmacher - Fachklasse Oldenburg, Max-Curt Harms. Schüttingstraße 11.

pfeil_o.gif (59 Byte)

Ein Teil des beschriebenen und eingeklebten Papiers ist samt seines Texte im Laufe der 170 Jahre verloren gegangen (Abb.4). Im Folgenden soll versucht werden, den Inhalt zu verdeutlichen. Der "Herr Uhrmacher" wird gebeten, die "Gabel" (das ist der auf der Werkrückseite sich bewegende zweizinkige Hebel, der die Pendelstange begrenzt und den Impuls des Werkes auf das Pendel überträgt) so zu richten, daß die "Fiebration des Perpendicels nach allen Seiten von gleicher Dauer ist". Der Uhrmacher wird aufgefordert, die Gabel so zu richten, dass die Uhr nicht "hinkt", sondern gleichmäßig tickt.

Ein zentral angeordneter Sekundenzeiger ist scheinbar verloren gegangen. Das würde auch den Hinweis des Erbauers über die Unmöglichkeit erklären, die Minutenradwelle auf ihrer ganzen Länge für die Welle des Sekundenrades zu durchbohren.

Bild zum Vergrößern bitte anklickenDer Sekundenzeiger sitzt nicht auf einem sogenannten Sekundenrad, dass fest im Räderwerk integriert ist, sondern auf einer lose mitlaufenden Verzahnung. Nur so ist der Hinweis auf den "schlotternden" Zeiger und die "Drückfeder", die diese unkontrollierte Bewegung des Zeigers durch eine leichte Reibung verhindern soll, zu verstehen.

Bei dem fehlenden Eingriffzirkel handelt es sich um ein Gerät, in dem sich zwei Räder, die ineinander greifen, einspannen lassen. Die Tiefe des Eingriffs lässt sich regulieren und kontrollieren. Durch scharfe Stahlspitzen an dem Gerät lässt sich die Entfernung der beiden Radachsen auf die Werkplatine übertragen und so die Bohrungen für die Radlager präzise festlegen.

pfeil_o.gif (59 Byte)

Die Anweisungen zum Regulieren der Uhr sind auch heute noch für Pendeluhren gültig, so weit Werk und Pendel noch eine Einheit bilden: Wird das Pendel verlängert, geht die Uhr langsamer, wird es verkürzt, geht sie schneller.

Die Uhr besitzt drei Werke: Gehwerk, Stundenschlagwerk und Viertelstundenschlagwerk. Die Radzähne der Schlagwerke müssen in einem bestimmten Verhältnis zueinander und zu den Auslösehebeln stehen, sonst funktioniert der Schlag nicht. Röben hat diese Stellung mit Punkten kenntlich gemacht.

Die verschiedenen Werke erfordern für ihren Betrieb unterschiedliche Gewichte. So müssen für die Schlagwerke mehr Kraft aufgebracht werden als für das Gehwerk. Deshalb hat der Handwerker die verschiedenen Gewichte vorsichtshalber gekennzeichnet.

Die Tatsache, dass ein angeblicher Laie eine Uhr dieser Art einschließlich eines Gehäuses gebaut hat, wirft viele Fragen auf. Vielleicht gelingt es doch einmal, seine Identität zu enträtseln, seinen Beruf und sein Vorleben in Erfahrung zu bringen.

pfeil_o.gif (59 Byte)

Heinz-Günter Vosgerau

 

Weitere Bilder:

Bild zum Vergrößern bitte anklicken

Bild zum Vergrößern bitte anklicken

Bild zum Vergrößern bitte anklicken

Bild zum Vergrößern bitte anklicken

Abb. 1
Standuhr von 1827 des Zuchthausinsassen Joh. Röben
(Foto Freilichtmuseum Cloppenburg (Kowalski, Cappeln)
Abb. 2
Werkansicht der Uhr.
(Foto Freilichtmuseum Cloppenburg (Kowalski, Cappeln)
Abb. 3 Seitenansicht des Uhrwerkes.
(Foto Freilichtmuseum Cloppenburg (Kowalski, Cappeln)
Abb. 4 Im geöffneten Uhrgehäuse ist rechts auf der Tür die eingeklebte Betriebsanweisung zu sehen, die der Uhrmacher 1827 schrieb.

pfeil_o.gif (59 Byte)

Fußnoten:

1) Staatsarchiv Oldenburg, künftig StAO.: VI Sitten-Sicherheits u. Ordnungspolizei Best. 70 F15
2) StAO Best. 70 3568 II
3) Kanne = 0,9356 Liter (Brockhaus Konversations= Lexikon 14. Aufl. 1898)
4) 32 Loth = 1 Pfund = 500 gr.
5) StAO Best. 70 3553I

 


Für weitere Informationen wende Dich bitte an : Heinz-Günter Vosgerau, Restaurator/Uhrmachermeister

pfeil_o.gif (59 Byte)

zurück
weiter


zu Regionalen Uhrmacherei/Oldenburger Münsterland
zu Regionale Uhrmacherei  D
zu Regionale Uhrmacherei
zu Sammler-Ecke
Home Hanse