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Uhrmacher im 19. Jahrhundert in Jever 2
© Heinz-Günter Vosgerau 2001


Uhrmacher im 19. Jahrhundert in Jever
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Inhaltsübersicht
Anmerkung:
Dieser Artikel von Heinz-Günter Vosgerau wurde im Oldenburger Jahrbuch 1998  Bd. 98 
(Herausgeber: Oldenburger Landesverein für Geschichte, Natur- und Heimatkunde e.V.) veröffentlicht und ist auch als Sonderdruck erschienen.  Fragen und Informationen an/für den Autor Heinz-Günter Vosgerau.

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Handwerkliche Fertigkeiten der Uhrmacher
[1] = Fußnoten

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In Jever waren hervorragende Uhrmacher heimisch, deren Erzeugnisse aber kaum überliefert sind. So hatte der Uhrmacher Schreiber eine Flötenuhr gebaut, die er am 25. Juli 1825 in der Zeitung [9] bekannt machte.  Wegen der ungewöhnlichen Art der Uhr und  Form ihrer Veräußerung soll die Anzeige wörtlich wiedergegeben werden:

Jever. Eine von mir verfertigte, in einem Aufzuge  einen Monat gehende Stand-Uhr, welche von Taxatoren auf 270 Rthl. gewürdigt worden ist, werde ich mit obrigkeitlicher Genehmigung  durch das Glücksrad ausspielen lassen. Diese Uhr ist mit einem mahagonien Gehäuse versehen, zeigt die Monate, das Datum , die Minuten und die Stunden an, spielt zehn verschiedene Stücke mit Flöten, Diskant und Baß, und alle Stunde ein Stück vor dem Schlag auf die Glocke.

Die Ausspielung geschiehet im Hause des Gastwirths Mohrmann vor dem Heiligengeist- Thore in Oldenburg, wo die Uhr in Augenschein genommen werden kann, und wird der Tag und die Stunde derselben näher bestimmt werden. Das Loos kostet 1 Rhtlr. Gold, und sind solche bey dem Wirth Mohrmann zu haben, indessen werde ich jemanden zu Ausbieten der Loose herum gehen lassen, daher ich um viel Theilnahme bitte. Schreiber, Uhrmacher in Jever.

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Damit wäre bewiesen, dass auch im nordwestdeutschen Raum hochwertige Spezialuhren gebaut werden konnten.  Die Schwierigkeit  lag im Absatz, die man auch in anderen Branchen durch den Verkauf über eine Lotterie zu meistern suchte. Bei dem hohen Preis von 270 Rhtl.  gab es kaum Käufer, die so viel für eine Uhr zahlen konnten und wollten. Da bot die Lotterie einen Ausweg, wenn die Obrigkeit sie genehmigte. Die angegebene Laufzeit von einem Abb. 4:  Ein Gußfehler in der Platine belegen die noch unvollkommene Herstellung von Messingplatten. (Foto I. Fleßner) - Bild zum Vergrößern bitte anklicken Monat bei einem Aufzug ist allerdings unnormal und nur durch eine große Übersetzung  und ein sehr schweres Gewicht zu erreichen, was wiederum die Abnutzung des Werkes erheblich verstärkt.

Die Jeverländischen Nachrichten aus dem Jahre 1852 [10] berichten in einem etwas sentimentalen Artikel folgendes: 

Wir standen  noch im Anblicke dieser Reliquie versunken da, als die Töne einer sanften Musik durch die Stille des Morgens drangen und an unser Ohr schlugen. "Was ist das?", fragte ich  verwundert meinen  Freund. "Es ist eine Flötenuhr", erwiderte dieser, " die früher im hiesigen Schlosse, auf dem herrlichen Audienzsaale aufgestellt war, in der französischen Zeit verkauft wurde, die aber jetzt wieder in guten Händen ist, da der in jenem Hause wohnende Patriot sie unlängst an sich brachte und ganz wieder in  Stand setzen ließ. Die herrlichen Klänge dieser Uhr versetzen mich, und wie ich sehe auch Dich gänzlich zurück in die gute fürstliche Zeit.

Selbstverständlich durfte der Hinweis auf das Fräulein Maria, der diese Uhr gehört haben soll, im weiteren Verlauf des Artikels nicht fehlen. Das ist natürlich ein Märchen. Eher ist anzunehmen, dass diese Uhr vom Uhrmacher Schreiber gefertigt wurde, sei es, dass es sich um die Uhr der Lotterie handelte oder Schreiber noch eine weitere Flötenuhr baute. Neben dem Uhrmacher Schreiber fiel Friedr. Wilh. Schwarzenbach durch seine Arbeit auf, auf die noch eingegangen wird.

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Wettbewerb unter den Uhrmachern
[1] = Fußnoten

Im Jahre 1824 ist Uhrmacher Wünscher einer von den 49 Besuchern auf Wangeooge [11]. Ob er wirklich zum Vergnügen dort war, kann bezweifelt werden, denn er betreute die öffentliche Uhr der Insel. Nach seinem Tod, er starb 1826 42jährig und hinterließ Frau und fünf kleine Kinder, wollte sich Graham-Hemmung sein ehemaliger Geselle Balthoff 1830 in Jever etablieren und die öffentlichen Uhren in Jever und Wangerooge ebenfalls betreuen. Auch Balthoff wird 1829 in Wangerooge als Kurgast gemeldet [12]. Zu der Zeit arbeitete er bei der Witwe seines ehemaligen Meisters  und wird zur Betreuung der Uhr auf der Insel geweilt haben. Die Niederlassung des Uhrmachers Balthoff wurde abgelehnt.

Die  Anzahl der Uhrmacher, die sich selbständig machen möchten, stieg in dieser Zeit stark an. Wenn sich in Jever ein Uhrmacher ein eigenes Geschäft aufbauen wollte und dieses bei der Stadt beantragte, tat er das in der Regel mit der Begründung, daß ein tüchtiger Uhrmacher noch gebraucht werde.  Prompt kam dann die Gegendarstellung der bereits ansässigen Kollegen. Dieses Ritual wurde anscheinend  im gesamten Handwerk und in allen Städten eingehalten. In Oldenburg sind die gleichen Proteste verfaßt worden, und auch bei den Töpfern lässt sich ein ähnliches Verhalten der Konkurrenz  feststellen [13]. Diese Eingaben bieten heute den Vorteil,  dass Einzelheiten über die betreffenden Handwerker festgehalten  wurden, die sonst unbekannt geblieben wären. So gelangten Beurteilungen des gesamten Handwerks, aber auch Nachrichten über die Schicksale einzelner Meister in die Akten.

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1828  wollte der Sohn des jeverschen Schneidermeisters Wendehorst als Uhrmacher eine Existenz gründen. Er hatte bei Uhrmacher Fölkers gelernt und seine Wanderzeit von 1821 bis 1826 abgeleistet [14]. Über ihn wurde positiv entschieden, denn bei der Eingabe der Uhrmacher gegen den Antrag Balthoffs (1830) taucht auch sein Name, zusammen mit seinen Kollegen Fölkers, Ww. Wünscher, Staschen, Rost, Osterloh, Werk, Schreiber,  Hoyer und Seelein auf. In diesem Schreiben wird beklagt, dass ein Unteroffizier Klein ohne festen Wohnsitz durch das ganze Jeverland streift und durch die Uhrmacherkunst sein Auskommen sucht, sowie ein gewisser Grützmacher von Carolienensiel. Auch der bereits erwähnte Balthoff aus Kniphausen und Uhrmachergeselle Krüger aus Berlin, also zwei Ausländer, werden erwähnt, und es wird vor ihrer Zulassung gewarnt.

Schon wenig später möchte der genannte Krüger sich in Jever niederlassen. Die Uhrmacher reagieren wie gehabt und vergessen nicht zu erwähnen: Hat mit hiesiger Person ein Kind erzeugt, um hierdurch seine Niederlassung zu bezwecken.  In Jever Emai-Zifferblatt der Schwarzenbach-Uhr seien zu viele Uhrmacher tätig, außerdem zwei Ausgelernte und drei Lehrlinge,  sämtlich Kinder hiesiger Landesuntertanen.

1839 möchte sich Uhrmacher Tegtmeyer aus Elsfleth etablieren. 1840 eröffnet Friedrich Wilhelm Schwarzenbach seine Werkstatt. Auf ihn soll später näher eingegangen werden.

Der Uhrmacher Krüger wird als Mitglied des Verein gegen den Genuß des Branntweines zu Jever im April 1845 erwähnt [15]. 1846 beantragt Hinrich Lübben ebenfalls seine Zulassung. Er habe bei Bülthoff [16] (Balthoff?) in Fedderwarden gelernt und von 1832 - 1837 dort als Geselle gearbeitet, anschließend sei er gewandert.

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Die übliche Gegenreaktion der Uhrmacher erfolgte prompt. Als Gegenargument wird angeführt, dass sich im Jeverland 38 Personen mit Uhren beschäftigen, meistenteils Bönhasen [17]. Trotzdem wird  H. Lübben vorgeladen und ihm eröffnet, er müsse erst eine Probearbeit oder ein Meisterstück liefern. Er fertigt einen Zylinder für eine Taschenuhr sowie ein Trieb an. Die Oldenburger Uhrmacher Marchand und Kaever begutachten die Arbeit  mit einem vernichtenden Urteil: Sehr mangelhaft!

1847 sind nur noch drei Uhrmacher in Jever tätig. 1847 legt Carl Anton Staschen, Sohn eines jeverschen Uhrmachers, die Meisterprüfung bei C. Haak jun. in Oldenburg mit gutem Erfolg ab. Im folgenden Jahr arbeiten in Jever fünf Uhrmacher.

Als 1848 der Uhrmacher Bley um Zulassung bat, machten die Kollegen wieder Front gegen ihn. Dass nun die Uhr auch schon in fremde Branchen abwandert, zum Beispiel durch den Galanteriehandel vertrieben wurde, macht das Schreiben der Uhrmacher deutlich. Offensichtlich vollzog sich in jenen Jahrzehnten ein Umbruch. Einerseits nahmen die Uhrmacher zu, andererseits ging das wirkliche Uhrenmachen an die zunehmenden  Fabriken verloren. Dadurch eröffneten sich für den  Handelsartikel Uhr neue Vertriebswege, die den Uhrmacher z.T. umgingen. Der Uhrmacher musste in der Regel einen zweiten Beruf oder mindesten noch eine andere Tätigkeit zusätzlich ausüben, um leben zu können.

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Wettbewerb aus anderen Gebieten
[1] = Fußnoten

Für die Großuhmacher waren die Schwarzwälder Uhren eine große Konkurrenz. Die süddeutsche Uhren(heim)industrie hatte ein Schlagwerksansicht der Bach-Uhr perfektes Vertriebsnetz fast europaweit aufgebaut. Dadurch kamen diese billigen Uhren in jeden Winkel des Landes. In Oldenburg ließ sich ein Schwarzwälder Uhrmacher nieder und vertrieb nur Uhren dieser Art. Schwarzwälder Uhrmacher, die auch hausierten, besuchten regelmäßig u.a. das Jeverland und boten ebenfalls Reparaturen an. Andreas Steidinger aus Locherhof/Württ. schreibt in einem Gesuch vom Mai 1843 an die Verwaltung in Oldenburg u.a.[18]:

Supplicant, der vor kurzem in Bremen von einigen Landleuten in Jeverland gebeten ist, mit seinen Uhren zu ihnen zu kommen, hat sich dadurch veranlaßt gefunden mit seinen Waaren in Ew.Königlich Hoheit Großherzogthum zu begeben und die Steuer davon bereits bezahlt, welche für 600 Zentner pl. m. 19 Rthl. 36 gr. beträgt; er zweifelte keineswegs an die Erlangung der Erlaubnis zum Hausierhandel weil sein Landsmann Anton Künz aus Locherhof ebenfalls solche bekommen hat, und wandte sich deshalb mit einem Gesuche am 23. d. Mts. an die Großherzogliche Regierung, wovon er eine Abschrift hierbei anlegt; Ihm ist darauf mündlich zur Resolution geworden, daß ihm die Erlaubnis zum Hausierhandel, so wenig en gros en detail, mit seinen Uhren erlaubt werde.

Aber auch hiesige Uhrmacher verkauften diese Uhren neben ihren eigenen und sahen wegen der Preisunterschiede und der geringeren Lebensdauer anscheinend keine Gefahr für ihre Erzeugnisse.

Während die Erzeugnisse der meisten jeverschen Uhrmacher heute  weitgehend unbekannt sind, hat sich eine besondere Wanduhr aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts bis auf den heutigen Tag erhalten.

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Fußnoten:

[9]Oldenburgische wöchentliche Anzeigen v. 21. 7. 1825.

[10]Jeverländische  Nachrichten  Nr. 22 v. 30..5.1852 , S.88  "Ein geschichtlicher Fund". Auch  Karl Fissen: "Das alte Jever"., Jever  1965 S.164.

[11]Oldenburgische Anzeigen v. 22.7.1824.  Die Hinweise aus den Oldenburger Tageszeitungen verdanke ich Frau M. Ottenjann.

[12]Oldenburgische Anzeigen v.15.7.1829.

13]Heinz-Günter Vosgerau, Töpferzentrum Wildeshausen. Nordwestdeutsche Keramik aus dem 17. bis 19. Jahrhundert. (Materialien  zur  Volkskultur  nordwestliches Niedersachsen  Heft 20).

[14]StAO  Bestand 264-4 Nr. 9286.

[15]Jeverländische Nachrichten , April 1845.

[16]Vermutlich jener Balthoff, der 1830  an der Niederlassung gehindert wurde.

[17]Bönhase: Pfuscher, besonders unzünftige Schneider.

[18]StAO Best. 31-13-83 Nr. 8.

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Für weitere Informationen wende Dich bitte an : Heinz-Günter Vosgerau, Restaurator/Uhrmachermeister

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